Geschichte

Vom Grabeland zur schmucken Anlage

Seit 1954 gibt es die Kleingartenanlage Wackersbronn

Ernten, was man selber anbaut, die Freude an den Früchten der eigenen Arbeit, das fasziniert heute 175 Mitglieder der Siedlergemeinschaft Römerschanze im Reutlinger Norden. Sie beackern 88 Gärten in der Kleingartenanlage Wackersbronn. Was heute vor allem als Hobby betrieben wird und vielen das Abschalten vom Alltag ermöglicht, war in der Anfangszeit durchaus auch ein finanzieller Aspekt für die ersten Gartenbesitzer: In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg waren die neuen Siedlungsgebiete Römerschanze und Storlach für Einheimische, aber auch für Familien aus Donauschwaben, Ostpreußen und Schlesien entstanden. Schon bald danach wurde der Wunsch laut nach Ackerland, um durch eigenen Anbau das Haushaltsgeld zu entlasten. Schon 1954 schlossen sich 40 Interessenten aus den Neubaugebieten im Norden zusammen, um bei der Stadt vorstellig zu werden. An eine Anlage wie heute war zunächst aber nicht zu denken. Denn zunächst musste der neue Verein, der sich zwei Jahre nach Gründung dem baden-württembergischen Landesverband der Kleingärtner anschloss, Gartenland suchen. Dafür wurde „Grabeland“ bei Bauern gepachtet – das Einzugsgebiet reichte vom nahegelegenen Dietweg über Sickenhausen und Degerschlacht bis nach Betzingen. Besichtigungsfahrten nach Schwäbisch Gmünd, Göppingen und Heidelberg zeigten dann aber, was anderswo möglich war.  Nach der Fertigstellung der Bodensee-Wasserleitung begann der Verein sofort mit der Planung und Vermessung von 50 Gärten mit jeweils rund 300 Quadratmetern. Die waren so begehrt, dass am 8. Mai 1958 ein Losverfahren über die Vergabe entscheiden musste.

Der Bierverkauf rettet das Vereinsheim

Eine ganz besondere Geschichte war die Errichtung des Vereinsheims: Der Treffpunkt für die Geselligkeit des Vereinslebens wurde im Oktober 1958 eröffnet. Es war eine große Baubaracke, die von der Metzinger Brauerei Bräuchle spendiert worden war. Selbstverständlich nicht ohne Hintergedanken, denn die Brauerei erhoffte sich dadurch einen lohnenswerten Absatz in der Kleingartenanlage, vor allem durch den Verkauf von Bier.

Doch abends ein Bier zu trinken oder gar mit der ganzen Familie einzukehren, das war damals ein Luxus, den sich kaum jemand leisten konnte. So teilten sich nicht selten zwei Männer eine Flasche Bier. Was bei Bräuchle gar nicht gut ankam. Und so machte die Brauerei Druck, um mehr Umsatz zu erzielen. Sie drohte sogar damit, das Vereinsheim wieder abzubauen. Doch die Kleingärtner wollten das Gemeinschaftsgebäude, das mittlerweile gut eingerichtet war, nicht kampflos aufgeben. Und so zogen sie durch die Wohngebiete Römerschanze und Storlach, um für den Besuch des Vereinsheims zu werben. Mit Erfolg: Es kamen nun genug Gäste, die den Konsum entsprechend steigerten. Auch das Verhältnis zur Brauerei entspannte sich schnell wieder: Zur offiziellen Einweihung der Kleingartenanlage Wackersbronn, die sich mittlerweile einen Namen in ganz Württemberg gemacht hatte, stellte Bräuchle ein Jahr später jedenfalls das große Festzelt. Für die beiden Tage Anfang August 1959 wurden eine bayerische Trachtenkapelle und eine Künstlergruppe verpflichtet. In den Jahren danach kamen viele andere Vereine nach Reutlingen, um die Anlage zu besuchen und Anregungen mitzunehmen.

Drei Mal wird die Anlage erweitert

Auf ihrer Leistung wollten sich die wackeren Wackersbronner aber nicht ausruhen. Schon zwei Jahre später wurde die Anlage das erste Mal erweitert: 18 neue Gärten kamen dazu. Die zweite Vergrößerung folgte 1961, als weitere 15 Gärten dazukamen. Das war absolut notwendig, da der Verein in den Wohnsiedlung kräftig Werbung gemacht hatte und die Zahl der Mitglieder auf 420 gestiegen war. Ein Zulauf, der 1967/68 auch zu einer Vergrößerung des Vereinsheims führte. Das Gebäude wurde dabei auch unterkellert und bot anschließend 100 Personen Platz. In den Jahren bis 1970 wurde die Anlage ein letztes Mal erweitert: In der so genannten Kiesgrube entstanden die letzten elf Gärten, die Nummern 86 bis 89.

Aus den Werkzeugschuppen, die Ende der 1960er-Jahre durch die Zusammenarbeit vieler Kleingärtner auf den Parzellen errichtet wurden, entstanden die Gartenlauben: Zunächst wurden Vordächer angebracht, unter denen Sitzgelegenheiten aufgestellt wurden. Später wurden diese Anbauten geschlossen, aus den ursprünglichen Schuppen wurden so nach und nach komfortable Häuschen. Allerdings alles mit Genehmigung der Stadt und der Erlaubnis des Landesverbands. In den Holzhütten, in denen heute das Vereinsbüro und Geräte wie Rasenmäher sowie Werkzeuge unterbracht sind, war ursprünglich ein gemeinsamer Torfvorrat gelagert worden. Zunächst war der Spielplatz hinter dem Vereinsheim verlegt worden, dann wurde dort die Torfanlieferung in einem umzäunten Gelände deponiert. Vor dem Vereinsheim wurde eine große Terrasse mit Markise angelegt, 1991 wurde dann der Innenraum aufgemöbelt: Bei der kompletten Renovierung wurde auch eine neue Ausschanktheke mit Zapfhähnen installiert.

Heutiger Geräteschuppen mit Vereinsbüro

Am Anfang sitzt die Anlage auf dem Trockenen

Obwohl die Bodenseewasserleitung unter der Anlage durchführt, saß die Gartensiedlung erst einmal  auf dem Trockenen, denn Wackersbronn war nicht angeschlossen. Die Stadtwerke legten dann eine Sommerleitung vom Friedhof Römerschanze zur Anlage, damit diese bewässert werden konnte. Schließlich erhielt die Gartensiedlung ihre eigene Leitung, zu Beginn der 1990er-Jahre hatte jeder Garten einen eigenen Wasseranschluss. Bis zum Jahr 2000 dauerte es sogar, ehe ein Stromnetz installiert wurde. Und dann wurde 2003 noch Großes für die Kleinen angelegt: Der Spielplatz gegenüber dem Vereinsheim ist komplett saniert worden. 22 Tonnen Beton, 10 Tonnen Sand und 40 Tonnen Erde wurden bewegt, ein großer Holzturm mit Rutsche entstand. Wer sieht, wie gut diese Anlage bei den Kindern ankommt, weiß: Auch diese Arbeit hat sich gelohnt.

Holzturm mit Rutsche

Vier Wege mit besonderen Namen

Im Wegenetz der Kleingartenanlage weisen vier Wege eine Besonderheit auf: Sie haben jeweils einen Namen. Und wie diese Namen zustande gekommen sind, zeugt vom großen Zusammenhalt und auch vom Humor der Pächter in früheren Zeiten.

Der Bodensee ist zwar rund 100 Kilometer von Wackersbronn entfernt – und zum Mittelmeer ist es mindestens sechs Mal so weit. Dennoch gibt es in der Kleingartenanlage einen Seeweg. Der verdankt seinen Namen aber nur dem ersten Teich, der auf einer der Parzellen angelegt worden war. Und diese Wasserstelle war gleich so groß, dass damals jeder in der Gartenanlage von einem See sprach, was heute noch auf dem Schild „Seeweg“ dokumentiert ist.

Ein schauerliches Schicksal für schleimige Allesfresser lässt der Schneckenschneiderweg vermuten – doch tatsächlich hat der Name nichts mit der Höchststrafe für die bei den Kleingärtnern unbeliebten Weichtiere zu tun. Sondern mit einem Versprecher: Als mal bei einer Arbeitsvergabe jemand fürs Heckenschneiden gesucht wurde, sprang einer auf und rief: „Schneckenschneider bin ich!“. Der Freiwillige hatte danach nicht nur einen Spitznamen, sondern der Weg bei seinem Garten auch noch gleich einen Namen.

Ganz appetitlich hört sich der Spanferkelweg an, und das aus gutem Grund: Als im heutigen Büro des Vereins noch gegrillt wurde, waren die bei Festen gegrillten Hähnchen weit über die Gartenanlage hinaus berühmt. Mit der Zeit hatte dieser Grill aber ausgedient, die Hähnchen drehten sich deshalb dort nicht mehr. Doch der Grillmeister blieb aktiv und spezialisierte sich auf Spanferkel, die bei ihm für Feste geordert werden konnten. Den Namen für den Weg gab es obendrauf.

Bleibt noch der Hannesweg: Wie es der Zufall so wollte, hatten fünf Pächter links und rechts dieses Weges alle den gleichen Vornamen – Hans. Was lag also näher, als diese Vornamen-Häufung mit dem Hannesweg zu verewigen?